Zum 45. Geburtstag der SDAJ

Zum 45. Geburtstag der SDAJ

Von Rolf Priemer

 

Seit einiger Zeit wird in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend über den Charakter und den Inhalt des Jugendverbandes teilweise heftig gestritten und damit auch über sein Verhältnis zur mit ihr eng befreundeten Deutschen Kommunistischen Partei. Ich möchte anlässlich der Gründung der SDAJ vor 45 Jahren zu diesem Thema einige Erfahrungen vermitteln und möglicherweise zur Versachlichung der Diskussionen beitragen.

Ich war bekanntlich einer der Gründer der SDAJ und ihr Bundesvorsitzender von 1968 bis 1974. Ich habe seinerzeit als junger Kommunist von 1960 bis 1968 für die Zusammenführung fortschrittlicher Jugendlicher in der Bundesrepublik gewirkt und inmitten des Aufschwungs der außerparlamentarischen Bewegung, des Aufkommens der sozialistischen Studenten- und sozialistischen Schülerbewegung auf die Bildung eines sozialistischen Arbeiterjugendverbandes orientiert.

Auf unserem Gründungskongress am 4. und 5. Mai 1968 haben wir u. a. einen Appell an junge Arbeiter und Angestellte, Schüler und Studenten gerichtet (die Dokumente können auf der Homepage der DKP unter Geschichte heruntergeladen werden), mit dem wir öffentlich in Erscheinung traten.

“Wir rufen Leute, die Mut genug haben, das anzugreifen, was in unserer Gesellschaft falsch, rückständig, also politisch gefährlich ist! Die Mut haben, an der Umgestaltung dieses Landes zu einer demokratischen Gesellschaft mitzumachen, in der nicht mehr die Wenigen über die Vielen herrschen. Wir rufen alle, die vor den Herren oben keine Angst haben! Wir rufen die Aktiven der jungen Generation!”

Wir haben mit der Gründung der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) beigetragen, neben dem damals sehr einflussreichen Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und der Assoziation Unabhängiger Sozialistischer Schüler (AUSS) die Jugendbewegung unseres Landes nicht durch eine neue Kraft zu zersplittern, sondern diese zu stärken. Inmitten dieser Aufbruchatmosphäre lag der von uns ausgewählte Name doch eigentlich sehr nahe. Aber natürlich haben wir im Vorfeld der Gründung immer wieder über alle möglichen Namen diskutiert.

Der Name “Kommunistischer Jugendverband” stand ebenso in der Debatte wie verschiedene Titel mit den Worten “marxistisch” “revolutionär” oder “links”. Auf dem Gründungskongress selbst hatten wir allerdings keinen langen Streit über den Organisationsnamen. Es wurde über zwei Namen alternativ abgestimmt. Das Ergebnis ist bekannt.

Wichtiger waren uns Inhalte und Lehren aus der Geschichte der kommunistischen-sozialistischen Jugendbewegung. Eine Lehre hatte uns der damalige Vorsitzende des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands, Walter Hähnel, auf der berühmten Brüsseler Konferenz der KPD – die sich mit den Ursachen der Niederlage der KPD im Kampf gegen den Faschismus in Deutschland befasste – hinterlassen. Er hatte gründlich über die damalige Rolle und über den Charakter des Kommunistischen Jugendverbandes nachgedacht.

Er forderte auf der Konferenz “eine völlige Umgestaltung des Charakters der kommunistischen Jugendverbände durch die Schaffung von überparteilichen wirklichen Massenorganisationen der Jugend”. Sie sei “deshalb notwendig, weil sie ihren Formen und ihrem Inhalt nach nicht den Wünschen und dem Leben der werktätigen Jugend entsprechen und deshalb nicht zu breiten Massenorganisationen werden können”, fügte er an. Es war zugleich das Eingeständnis eines Scheiterns: “Wir waren keine Jugendorganisation, sondern eine junge Partei und haben bereits früher nicht dem Leben der Jugend Rechnung getragen.”

Wir sahen auf unserem SDAJ-Gründungskongress zudem, dass sich die Aufgaben einer Jugendorganisation, die sich auf die Ideen von Marx, Engels und Lenin bezieht, aus den besonderen Interessen und Bedürfnissen Jugendlicher, ihrer Entwicklung und ihres generationsspezifischen Bewusstseins ergeben. Es lohnt sich übrigens mal im SDAJ-Aktionsprogramm von 1968 zu lesen. Aufgrund dieses Umstandes hat die mit der DKP eng verbundene SDAJ eine eigenständige Aufgabenstellung und ist keine “kleine kommunistische Partei”. Für Lenin besteht die Aufgabe des Jugendverbandes darin, “seine praktische Tätigkeit so zu gestalten, dass diese Jugend, indem sie lernt, sich organisiert, sich zusammenschließt und kämpft”.

Für einen besonders wichtigen Leitsatz für die sozialistisch-kommunistische Jugendbewegung halte ich übrigens die Gedanken, die uns Wladimir Iljitsch Lenin vermittelte. Er schrieb uns mit Blick auf die Bedeutung und Entwicklung des Jugendverbandes nämlich folgendes ins Merkbuch, was wir als ältere und jüngere Sozialistinnen/Kommunistinnen und Sozialisten/Kommunisten immer im Auge behalten sollten:

“Es kommt oft vor, dass Vertreter der Generation der Erwachsenen und Alten es nicht verstehen, in richtiger Weise an die Jugend heranzutreten, die sich zwangsläufig auf anderen Wegen dem Sozialismus nähert, nicht auf dem Wege, nicht in der Form, nicht in der Situation, wie ihre Väter. Das ist einer der Gründe, warum wir unbedingt für die organisatorische Selbständigkeit des Jugendverbandes eintreten, nicht nur deshalb, weil die Opportunisten diese Selbständigkeit fürchten, sondern auch dem Wesen der Sache nach. Denn ohne vollständige Selbständigkeit wird die Jugend nicht imstande sein, sich zu guten Sozialisten zu entwickeln und sich darauf vorzubereiten, den Sozialismus vorwärts zu führen.

Für die vollständige Selbständigkeit der Jugendverbände, aber auch für die volle Freiheit einer kameradschaftlichen Kritik ihrer Fehler! Schmeicheln dürfen wir der Jugend nicht.”

Lenin-Werke, Band 23, Seiten 164/165

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