Kommunistische Aktionseinheits- und Bündnispolitik

“Kommunistische Aktionseinheits- und Bündnispolitik”

 

Das Bildungsthema “Kommunistische Aktionseinheits- und Bündnispolitik” beinhaltet viele Aspekte unserer politischen Arbeit in Betrieben und Gewerkschaften, in den Kommunen, vor allem aber unsere Aktivitäten in politischen und sozialen Bewegungen. Bereits im Bildungsthema “Kommunisten und Gewerkschaften” (2000) hatten wir Grundsätze der Aktionseinheitspolitik der DKP diskutiert.

Im aktuellen Bildungsthema “Kommunistische Aktionseinheits- und Bündnispolitik” sollten deshalb vor allem

  • die Aufgaben der Bündnispolitik der DKP,
  • das Wesen der Aktionseinheitspolitik sowie
  • Zusammenhänge und Unterschiede kommunistischer Aktionseinheits- und Bündnispolitik besprochen werden.

Vor allem die aktuellen Herausforderungen, aber auch der Stellenwert dieses Themas in der Programmdebatte der DKP, haben uns bewogen, dieses Problem zur Diskussion zu stellen.

Wir haben dabei auf Bildungsmaterial der DKP aus dem Bildungsjahr 1982/83 zurückgegriffen: Vor allem, weil wir der Auffassung sind, dass die marxistische Grundposition in diesem Material – abgesehen vom historischen Kontext, der sich heute anders stellt – sehr gut herausgearbeitet wurde.

1. Einleitung

In diesen Tagen und Wochen protestieren Gewerkschafter und vor allem die Gewerkschaftsjugend in der Bundesrepublik Deutschland gegen die zunehmende Verschlechterung von Arbeits- und Lebensbedingungen, aktuell gegen die Auswirkungen des Hartz-Konzeptes, der “Gesundheitsreform”, gegen die geplante “Agenda 2010” Gerhard Schröders und die Forderungen von CDU/CSU bzw. FDP. Die Bereitschaft nimmt zu, für die eigenen Interessen zu kämpfen. In Ostdeutschland gibt es Aktionen der IG Metall für die 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich.

Die Proteste von Schülerinnen und Schülern wenden sich gegen die Bildungsmisere und die ständigen Kürzungen in diesem Bereich. Sie gehen – gemeinsam mit Eltern, Lehrern, Erziehern u. a. – gegen die Schließung von Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen auf die Straße. Daneben gibt es viele andere örtliche und zentrale Aktionen von Studierenden, Sozialverbänden, örtlichen Initiativen u. a.

International entsteht gegenwärtig – erstmals seit der Niederlage des Sozialismus und der internationalen Arbeiterbewegung 1989/90 – eine zunehmend breiter werdende Bewegung gegen die Folgen der imperialistischen Globalisierung und gegen den Krieg, die unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte erfasst. Die Erkenntnis wächst, das haben unter anderem auch die Aktionen anlässlich der Gründung des Europäischen Sozialforums in Florenz im Herbst 2002 gezeigt: So wie es ist, kann es nicht bleiben.

Dafür organisieren sich Menschen in breiten Bewegungen. Dahinter stehen Interessen, die aufgrund der objektiven ökonomischen, sozialen und politischen Situation der Betroffenen entstehen und jetzt offen artikuliert werden. Mehrheitlich heißt dies noch nicht, diese Leute wollen den Kapitalismus beseitigen. Aber hier besteht die Möglichkeit, dass sich in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Kämpfen das Bewusstsein dafür entwickelt, dass dies notwendig ist. Die Aktionseinheit der weltanschaulich und politisch unterschiedlichen orientierten Teile der Arbeiterklasse gewinnt in diesen Auseinandersetzungen und darüber hinaus an Bedeutung.

Im Referat des 17. Parteitages der DKP im Dezember 2002 wurde hervorgehoben, dass sich hier unter den herrschenden Gesellschaftsbedingungen etwas qualitativ Neues entwickelt. “Frieden, Sozialabbau und Demokratiefragen sind wesentliche Inhalte der Diskussion und Aktion in dieser Bewegung. Für Teile der Arbeiterbewegung ist dies Anlass und Bestärkung, sich in diese neuen Bewegungen einzubringen.” Und weiter wurde betont, dass vor allem junge Menschen Teil der Bewegung sind. “Der Dialog der Weltanschauungen wurde auf der Grundlage gemeinsamer Interessen teilweise neu begonnen oder intensiviert.”

Die Aktionen gegen den Irak-Krieg haben in den letzten Wochen und Monaten auch in der Bundesrepublik Hunderttausende erfasst. In der Friedensbewegung – so die Erfahrung vieler Genossinnen und Genossen der DKP, die in örtlichen Friedensinitiativen oder in bundesweiten Organisationen arbeiten – wurden Menschen aus allen Klassen und Schichten der Gesellschaft bis hin zu den Kirchen aktiv. Hier entstanden neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, aber auch antikommunistische Vorurteile waren zu spüren. Trotzdem gibt es auch hier zunehmend Bereitschaft, gemeinsam mit Kommunistinnen und Kommunistinnen Aktionen zu organisieren. Erstmals seit vielen Jahren konnten Mitglieder der DKP nicht nur vereinzelt, sondern bundesweit auf Kundgebungen der Friedensbewegung sprechen und fanden große Zustimmung.

Ursachen für die Zunahme von Protestaktionen und Aktivitäten sind:

  • Die Kriegspolitik der USA, die mit dem Krieg gegen den Irak die neue, aggressive US-Strategie des “Präventivkrieges” besiegelte. Erst nach 1989/90 wurde der Weg frei für die so genannte Verteidigung US-amerikanischer Interessen zu jeder Zeit und weltweit. Diese Politik wurde langfristig vorbereitet und begründet. Krieg wird – auch auf Grund dieser Politik der USA – weltweit zum permanenten Zustand.
  • Die Rüstungspolitik der Bundesregierung und der EU, die mit dem Ausbau weltweit agierender Eingreiftruppen der Bundeswehr bzw. der EU eine neue Qualität gewinnt. Die “Verteidigungspolitischen Richtlinien” wurden modifiziert, um – laut “Verteidigungsminister” Struck (SPD) – die Verteidigung “deutscher Interessen auch am Hindukusch” zu gewährleisten. Damit einher geht die Militarisierung der Gesellschaft bis hin zu Planungen, die Bundeswehr gegebenenfalls auch im Inland einzusetzen.
  • Der zunehmende Abbau erkämpfter Grundrechte, die Angriffe gegen Flächentarife und Kündigungsschutz.
  • Die Verschlechterung der Lebensbedingungen, vor allem die wachsende Massenarbeitslosigkeit, die düsteren Zukunftsaussichten für junge Menschen durch fehlende Ausbildungsplätze.
  • Neben der Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme auch der politischen und Bürgerrechte durch den Ausbau des Überwachungsstaates.

Der sich gegen Krieg und Kriegspolitik, gegen Sozialabbau und Einschränkung demokratischer Grundrechte richtende Protest reicht noch nicht aus, um außerparlamentarisch großen Druck auf die Herrschenden und die Parlamente auszuüben. Mit einer Ausnahme: Das “Nein” der Bundesregierung zum Irak-Krieg hatte sicherlich verschiedene Ursachen, aber erwiesen ist, dass die Schröder-Fischer-Regierung der in der Bundesrepublik Deutschland weit verbreiteten Antikriegsstimmung Rechnung tragen musste – nicht nur, um im Herbst 2002 wieder gewählt zu werden.

Wie halten es Kommunistinnen und Kommunisten nun mit den sich formierenden Protestbewegungen? Wie also verhalten wir uns zu den bestehenden und sich neu formierenden Bündnissen? Gibt es neue Folgerungen für die Aktionseinheitspolitik?

In der Vergangenheit – so auch in der Friedensbewegung der 80er Jahre – hat sich gezeigt, dass viele Bündnisse nur zeitweilig existierten, sich manche Bündnispartner immer wieder nur zeitweilig engagierten oder sich gar als unsicher erwiesen bzw. in Konfliktsituationen gesellschaftlich notwendige Konsequenzen scheuten. Es aber in keinem Falle richtig, verabsolutierend Schlussfolgerungen aus diesen und ähnlichen Erfahrungen zu ziehen. Beispielsweise nach dem Motto: Bündnispolitik nutzt letztendlich nichts, sie hat uns abgehalten von der eigenen Profilierung, Partner in der Aktionseinheit und in Bündnissen haben Positionen geändert, was eben zeigt, dass sie nicht verlässlich sind oder ähnliches mehr.

Sicher gab es in der Geschichte der kommunistischen Bewegung auch nicht wenige Illusionen über die Möglichkeiten und die Zukunft sich entwickelnder politischer und sozialer Bewegungen. Trotzdem ist es für eine kommunistische Partei unerlässlich, sich sowohl der Grundlagen kommunistischer Aktionseinheitspolitik und Bündnispolitik ständig zu versichern als auch bestehende wie entstehende gesellschaftliche Bewegungen, ihre Ziele und Möglichkeiten, zu klären:

  • Welche gesellschaftlichen Voraussetzungen existieren heute in der Bundesrepublik für die Aktionseinheits- und für die Bündnispolitik? Welche neuen Entwicklungen hat es gegeben? Welche Chancen und neuen Möglichkeiten sind entstanden?
  • Unterscheidet sich heutige kommunistische Bündnispolitik grundsätzlich von der vor 1989, müssen wir – aufgrund der Erfahrungen – nicht ausschließlich auf “antiimperialistische Bündnisse” orientieren oder gibt es Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik, die heute ebenso gültig sind?
  • Mit welchem Ziel betreibt die DKP heute ihre Bündnispolitik? Will sie in den Bündnissen eine Führungsrolle übernehmen, andere dominieren und vor allem ihre politischen Ziele durchsetzen? Oder will sie sich “dranhängen”, weil sie allein zu schwach ist?
  • Ist es nicht besser, sich allein auf die Arbeiterklasse zu orientieren und auf andere Kräfte in Bündnissen zu verzichten? Wie breit sollten Bündnisse sein?
  • Wie sehen wir das Verhältnis von Aktionseinheitspolitik und Bündnispolitik der DKP?
  • Gibt es eine Alternative zur Aktionseinheit mit sozialdemokratisch, sozialistisch oder kommunistisch, an der PDS oder sozialdemokratisch orientierten Teilen der Arbeiterklasse? Gibt es eine Alternative zur Gewinnung auch politisch und weltanschaulich anders orientierter Kolleginnen und Kolleginnen und Kollegen in Betrieb und Gewerkschaft für ein gemeinsames Handeln gegen Sozial-, Demokratieabbau und Kriegspolitik?
  • Sollte die DKP nicht auf die Zusammenarbeit mit der PDS, Sozialdemokraten und ähnlichen politischen Kräften in der Aktionseinheit bzw. in Bündnissen verzichten, weil die Gefahr bestehen könnte, dass die DKP sich von der theoretischen Grundlage kommunistischer Politik, der wissenschaftlichen Weltanschauung, entfernt? Sollte stattdessen nicht besser zuallererst eine “Aktionseinheit” oder ein “Bündnis” mit anderen kommunistischen Parteien und Gruppen bevorzugt werden?
  • Muss man heute in antifaschistischen Bewegungen – und partiell der Friedensbewegung – auch mit Mitgliedern von Kriegsparteien zusammenarbeiten?

Diese Fragen sollten im Zusammenhang mit dem Bildungsthema diskutiert werden. Allerdings gehen wir davon aus, dass aufgrund vielfältiger Erfahrungen die Schwerpunkte der Debatte unterschiedlich gewählt werden.

Nina Hager
Otto Marx und Götz Loudwin

(beide Karl-Liebknecht-Schule)

 

 

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