Silvia Rölle – Ohnmachtsgefühle sind Nährboden für rechtes Gedankengut

Ohnmachtsgefühle sind Nährboden für rechtes Gedankengut

Studie zeigt: Kämpferische Gewerkschaften sind wirksames Gegenmittel

Die Aufregung, die rund um die Bildungszeitung (BIZ) erzeugt wurde ist wenig hilfreich. Die Diskussion der Sachthemen schon.

Zum Beispiel:
Aus welcher Richtung kommt die Gefahr eines neuen Faschismus ? Sind wir nicht viel zu fixiert auf die Bilder und Erfahrungen des europäischen Faschismus mit seinen Massenbewegungen? Faschistische Regimes wurden in Griechenland und Chile auch ohne diese installiert. Ausschlaggebend waren imperiale Interessen der USA im Bündnis mit den lokalen Oligarchien. Bei den Wahlen 1932 hatten die Nazis erhebliche Stimmenverluste und ihren Zenit überschritten. Die reaktionärsten Kreise des Monopolkapitals haben sie dennoch in die Regierung geschoben. Es entsprach ihren strategischen Interessen. Mir ist kein historisches Beispiel bekannt, wo faschistische Regimes ohne die Unterstützung wesentlicher Teile der herrschenden Klasse an die Macht gekommen sind. Diese bittere Erfahrung spiegelt sich im Schwur von Buchenwald wider. Genau deshalb ist er im Visier des Inlandsgeheimdienstes und seiner Verleumdungen.

Ein anderes Beispiel:
Ich unterstütze die Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus!“ Sie ist ein wichtiger Zugang zum antifaschistischen Handeln. Zugänge zum Antifaschismus müssen unbedingt bunt und vielfältig sein. Zugleich besorgt mich eine Verengung auf moralische Kategorien.Greift das nicht zu kurz? Sind die, die Parolen nachplappern unser Gegner? Wie kommt Rassismus und rechtes Gedankengut in die Köpfe? Was ist der Nährboden? Hierzu gibt Teil 2 und 3 der BIZ gute Hinweise.

Als Sprecherin des VVN-BdA NRW habe ich auf dem Landesparteitag der PDL über Kommunalpolitik und Antifaschismus gesprochen und viel Zustimmung bekommen. Vor allem Arbeiter und kleine Angestellte, so meine These, fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten. Das sei nach 20 Jahren Hartz4 nicht zu verdenken und erkläre Verluste der SPD.
Aber, so Erkenntnisse der Sozialforschung: Die Linke werde ebenfalls nicht als Alternative angesehen. Deren Themen und Sprache seien zu sehr bildungsbürgerliche Mittelschicht.
Die Leute vermissen eine Kümmerer-Partei, die klare Kante zeigt und Protest ausdrückt.

Ich habe Peter Mertens, von der PdA Belgiens zitiert:
„Wir haben gemerkt, dass die rechten Parteien wahnsinnig erfolgreich waren mit den Geschichten, die sie erzählen. Die fangen bei ganz konkreten Dingen an und verallgemeinern das dann in Richtung einer allgemeineren imperialistischen Agenda. Aber sie beginnen mit kleinen Vorkommnissen, zum Beispiel Betrugsfällen, in denen Leute fälschlicherweise Sozialleistungen oder Behindertenaufschläge bekommen haben. Solche Geschichten schaffen es auf die Titelseiten. Und alle sagen dann, dass sie selber auch jemanden kennen, die auf illegale Weise vom sozialen Sicherungssystem profitiert hat. Und dann gibt es eine Linke (..) die darauf mit Statistiken zur Ungleichverteilung und Einkommenstabellen antwortet, Sachen, die alle gut und schön sind, aber ganz abstrakt bleiben und emotional nicht ankommen. Diese Linke erreicht die Gehirne, aber nicht die Herzen. Wir müssen auch von links unsere Stories im echten Leben finden und erst von da aus allgemeiner werden.“

In der BIZ wird die notwendige Verbindung von Arbeiterbewegung und Antifaschismus angesprochen. Das ist wichtig in der sich verschärfenden Wirtschaftskrise. Hier müssen wir besser werden. In der VVN-BdA NRW haben wir beschlossen, die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften zu verstärken. Auch bei aktiven Gewerkschaftern steigt die Empfänglichkeit für rechte Parolen. Da zeigt eine Studie der TU Darmstadt. Die Gewerkschaften können verhindern, dass sich das festsetzt. Denn sie genießen nach wie vor großes Vertrauen. Die Meisten, die AfD aus Enttäuschung über die etablierten Parteien wählen seien noch keine überzeugten Rechten. „Aber das Fenster schließt sich, und es gibt dringenden Handlungsbedarf“, so Prof. Brinkmann, Leiter der Studie. 85 Prozent der Befragten wünschen sich eine offensivere und stärker konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik. Das müssen sich die Gewerkschaften unbedingt vergegenwärtigen. Nur wenn sie kämpfen, können sie diesen Vertrauensvorschuss behalten. Die Erfahrung kollektiven Handelns sei wichtig, das Gefühl gemeinsam etwas durchsetzen zu können. Nur so könne den Beschäftigten die Ohnmachtserfahrung genommen werden.

Die Studie zeigt einen entscheidenden Hebel für wirksamen Antifaschismus: Aktionseinheit der Arbeiterklasse. Nur in Verbindung damit entfalten breite Bündnisse die notwendige Wirkung.

Silvia Rölle, Mülheim an der Ruhr

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