Bildungszeitung nicht überfordern, sondern in der Diskussion ergänzen und konkretisieren

Bildungszeitung nicht überfordern, sondern in der Diskussion ergänzen und konkretisieren
Drei Anmerkungen zur bisherigen Diskussion

Erstens: Wenn ich manche Kritik an der aktuellen Bildungszeitung lese gewinne ich den Eindruck, dass es gar nicht so sehr um den Inhalt geht, sondern viel mehr um eine Richtungsdebatte. Dabei ist doch das Kernproblem keineswegs neu. Es wird auch nicht völlig anders behandelt als sonst in der marxistischen Literatur, so in der DDR. Als Beispiel sei der Beitrag von Wolfgang Ruge in dem von Dietrich Eicholtz und Kurt Gossweiler herausgegebenen Sammelband „Faschismusforschung, Positionen, Probleme, Polemik“, Berlin 1980 genannt (http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/dokumente/Eichholtz_Gossweiler_Faschismusforschung.pdf). Ruge beschäftigt sich hier mit dem Thema: „Monopolbourgeoisie, faschistische Massenbasis und NS-Programmatik in Deutschland vor 1933“. Ich empfehle diesen Text, da er von der generellen Besonderheit imperialistischer Herrschaftssicherung und des damit verbundenen reaktionären Staatsumbaus ausgeht, dass eine an der Macht einer äußerst kleinen Gruppe von Finanzkapitalisten (Großindustrielle und Bankgewaltige) „beteiligte verschwindende Minderheit dem als Objekt der Macht dienenden Gros der Bevölkerung“ gegenüber steht. „Daraus folgt, dass die imperialistische Herrschaft nur aufrecht erhalten werden kann, wenn ihre Exponenten es verstehen, beträchtliche Teile der nicht zur herrschenden Klasse gehörenden Bevölkerung zumindest zur passiven Duldung, möglichst aber zur Unterstützung des bestehenden Systems zu veranlassen, d.h. sie in eine Position zu drängen, in der sie entweder auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen verzichten oder aber diesen Interessen direkt zuwider handeln.“ Der „im ökonomischen Bereich entwickelte Stil des Managertums“ wird abgewandelt angewandt auch „auf Politik und Massendemagogie“. Wolfgang Ruge zeigt, dass „die Hochzüchtung des Faschismus“ nicht so zu verstehen ist, „als fasste irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluss, an dem und dem Tag die faschistische Diktatur zu errichten“. Gleicherweise sei es verfehlt anzunehmen, „dass irgendein monopolkapitalistisches Gremium zu irgendeinem Zeitpunkt beschlossen hätte, diesen oder jenen Politiker mit dem Aufbau einer faschistischen Organisation zu beauftragen und ihm einen ‚Fahrplan‘ der Konterrevolution zur Verfügung zu stellen.“

Zweitens: Es wird der Satz kritisiert, dass der Faschismus nicht von den Faschisten käme. Obwohl natürlich klar ist, was niemand leugnet, dass es keinen Faschismus ohne Faschisten gibt. Woher kommen aber die Faschisten und ihre Organisationen? Das ist eine Fragestellung, die die Kritiker nicht aufwerfen wohl aber die Bildungszeitung. Wie würde nun erst das vernichtende Urteil lauten, wenn in der Bildungszeitung der Begriff von Palmiro Togliatti, der Kurt Gossersweilers Zustimmung fand, verwendet würde: die Faschistenpartei ist „die bürgerliche Partei neuen Typus“? Wie soll man denn ernsthaft vom Faschismus sprechen ohne vom Kapitalismus zu sprechen? Ist denn der Imperialismus kein Kapitalismus? Sprach Lenin nicht vom „kapitalistischen Imperialismus“? Predigt man damit, dass der Faschismus an der Macht gesetzmäßig sei? Nein.

Drittens: Worum geht es eigentlich bei der Verteidigung der Demokratie? Doch wohl vor allem um die Stärkung der Rolle der Arbeiterklasse. Denn als politisches System ist die bürgerliche Demokratie nicht vom Repressionsapparat der herrschenden Klasse zu trennen. Dieser ganz entscheidende Gesichtspunkt kommt m. E. in der Debatte zu kurz. Es wird die Haltung zum Grundgesetz eingefordert. Dazu wäre Uwe-Jens Heuer, der leider etwas in Vergessenheit geraten ist, zu zitieren: „Es gibt nur so viel demokratische Verfassungswirklichkeit und Rechtsstaatlichkeit, wie ihre Verteidiger erkämpfen.“ Oder, so zitiert Heuer Jürgen Seifert: „Der Kampf um Verfassungspositionen ist ein Kampf um die eigenen Interessen“. (Die Sozialisten und das Grundgesetz) Wie soll also der konzeptionelle Ansatz der Bildungszeitung, nämlich „aktuelle Tendenzen der Rechtsentwicklung in die Klassenkämpfe unserer Zeit einzuordnen“, eine falsche Einstellung zum Grundgesetz zur Folge haben? „Liegen der Verfassung soziale Konflikte prinzipieller Art zu Grunde, so müssen sich diese Konflikte auch in der Interpretation der Verfassung selbst ausdrücken. Es ist sinnlos, auf eine allen gemeinsame Interpretation des Grundgesetzes zu hoffen…Mit der Figur des Verfassungsfeindes, der sich legal verhält, einer nicht verbotenen Partei angehört, werden Wertvorstellungen für feindlich erklärt, ohne dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt tätig werden muss. Hier liegt die Grundlage für Berufsverbote und für die Diskriminierung durch den Verfassungsschutzbericht. Dabei verzichten die Berichte des Verfassungsschutzes auf jeglichen Bezug auf Normen des Grundgesetzes.“ (Heuer, ebenda) Die Kommunistische Partei ist als Ganzes und nur als Ganzes ein Problem für die Herrschenden. Die Bescheinigung verfassungsmäßiger Zuverlässigkeit ist vom Verfassungsschutz kaum zu erwarten.

Wir sollten die Bildungszeitung, die ich für gelungen halte, nicht überfordern, sondern in der Diskussion ergänzen und konkretisieren.

Herbert Münchow, Leipzig

 

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