Aufruf zur Gründung einer revolutionären sozialistischen Jugendorganisation

Aufruf zur Gründung einer revolutionären sozialistischen Jugendorganisation

40 Jahre SDAJ

 

Wir sind junge Arbeiter und Angestellte, junge lernende und studierende Bürger der Bundesrepublik.

Wir sind aufgewachsen in einer Gesellschaft, in der Wenigen viel und Vielen wenig gehört. Wir schaffen große Werte für unser Volk; die Früchte unserer Arbeit aber eignen sich andere an: Die Herren der Großindustrie und der Großbanken.

Hundert Familien hoben die wirtschaftliche Macht in den Händen, also euch die politische. Sie besitzen Produktionsmittel oder verfügen darüber. Sie regieren Staat und Gesellschaft.

Diese kleine Schicht bereichert sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Nach wie vor wird die Arbeiterklasse ausgebeutet und damit um den Gegenwert ihrer Arbeit betrogen.

So war es auch in der Vergangenheit. Durch ihr Profit- und Machtstreben trieben die Kapitalisten in zwei grausamen Weltkriegen Millionen Menschen in den Tod.

Sie sind es, die heute die amerikanischen Rüstungskonzerne in ihrem Unterdrückungskrieg gegen das vietnamesische Volk unterstützen.

Wir dagegen solidarisieren uns mit der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams, mit der FNL.

Der Arbeiterklasse steht hierzulande dieselbe Klasse gegenüber, die trotz des letzten Weltkrieges ihre Machtpositionen erhalten, festigen und ausbauen konnte. Diese Klasse versucht mit vielfältigen Methoden den Fortschritt in der Bundesrepublik und in der Welt aufzuhalten.

Sie kann der Jugend keine sichere Zukunft bieten.

Was des Volkes Hände schaffen, muss des Volkes eigen sein!

Wir vertreten die revolutionären Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus, die Ideen von Marx, Engels und Lenin.

Die Welt hat ihr Gesicht entscheidend verändert, seit vor 120 Jahren – im Februar 1948 – das Kommunistische Manifest erschien.

Ein Drittel der Menschheit lebt in sozialistischen Ländern.

Auf den Trümmern ehemaliger Kolonialreiche entstanden 70 neue Staaten. Die Ideen von Marx, Engels und Lenin sind Grundlage für die Umgestaltung dieser Welt.

Wir wollen an der Umgestaltung teilnehmen. Wir engagieren uns für die Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik und setzen damit die Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung, von Bebel, Liebknecht und Luxemburg fort.

Immer mehr Jugendliche fühlen sich zu sozialistischen Ideen hingezogen. Der Marxismus bietet der Jugend eine echte Perspektive.

Eine Zukunft, in der der Arbeitergrundsatz verwirklicht ist:

“Was des Volkes Hände schaffen, muss des Volkes eigen sein!”

Wir rebellieren gegen diese muffige Gesellschaftsordnung.

Die Unterzeichner dieses Aufrufes streben eine sozialistische Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik an. In ihr sind die verfassungsmäßigen Rechte wie Demokratie, Freiheit und Menschenwürde gesichert, ist Platz für den Aufstieg der Kinder der werktätigen Bevölkerung. Wir sind für ein gerechte Ordnung, in welcher der soziale Fortschritt garantiert ist. In ihr ist aber kein Platz für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, für Reaktionäre und Nazis.

Die Rechtlosigkeit der jungen Menschen im Betrieb, in den Schulen und anderen Bildungsstätten, der Krieg gegen freiheitsliebende Völker, der Abbau der Demokratie in unserem Land, die Verleumdung, Niederknüppelung und Unterdrückung der Opposition, die Heuchelei der Regierenden, die Bevormundung der Jugendverbände durch den Staat, die Politik der Großen Koalition sind typisch für diese kapitalistische Gesellschaftsordnung.

Diese muffige Gesellschaftsordnung ist überlebt.

Wir rebellieren gegen ihre Gebrechen und ihre Ungerechtigkeiten.

Tatsache ist:

  • In Bonn wird Notstandsdiktatur gegen die Demokratie geplant. Dadurch soll die Macht der hundert Großen über 50 Millionen Menschen gefestigt werden.
  • Der Neofaschismus ist Bestandteil der Politik.
  • Forderungen nach Mitbestimmung, nach demokratischen Reformen und noch Herabsetzung des Wehralters werden der Jugend verwehrt.

Wer hat Angst, der Jugend demokratische Rechte zuzugestehen? Angst haben jene, die ständig neue Untertanen brauchen.

Die junge Generation aber braucht Demokratie im gesellschaftlichen Leben. Nur in ihr kann sie sich voll entfalten, kann sie sich wirklich darauf vorbereiten, Hausherr von morgen zu sein.

Wir sind für den Abbau der Macht des Großkapitals und für echte demokratische Willensbildung in unserem Land. Wir sind gegen jegliche Notstandsgesetzgebung.

Wir sind gegen den Neofaschismus, der dazu beiträgt, uns in einen neuen Krieg zu stürzen. Neofaschismus in der heutigen Zeit bedeutet u. a. die Forderung nach den Grenzen von 1937, Hetze gegen die Arbeiterschaft und ihre Organisationen, Versuche, die Demokratie abzubauen. Der Träger dieser Politik ist die CDU/CSU. Ihren deutlichsten Ausdruck findet sie in der faschistischen NPD. Um diesen vom Staat geförderten Neofaschismus zu treffen, wenden wir uns gegen die reaktionäre Politik der CDU/CSU und sind für ein Verbot der N?D.

Die Herrschenden sagen uns: Wir haben Freiheit!

Tatsache ist:

  • Hundert Familien entscheiden über unsere Arbeit, welche Gesetze gemacht werden, welche Staaten und Völker unsere Freunde oder Feinde sein sollen, was Recht ist und was nicht; sie bestimmen durch den Besitz der Meinungsindustrie, welche Schlager wir hören und welche Mode up to date ist.
  • Jegliche Opposition wird verleumdet und unterdrückt.
  • Die Schul- und Berufsschulbildung entspricht nicht den Erfordernissen der heutigen Zeit; die Studieneinrichtungen sind unmodern und autoritär. Sie spiegeln den Klassencharakter des Bildungssystems wider.
  • Die Jugendgesetze entsprechen nicht den Vorstellungen der Jugendverbände; die Jugend wird nicht gefragt, kann nicht mit entscheiden.
  • Die KPD ist verboten.

Das ist Freiheit nach dem Geschmack der Kapitalisten.

Wir sind gegen eine manipulierte Meinungsbildung und für die Entmachtung des Springer-Konzerns, der mächtigsten Meinungsfabrik in unserem Lande.

Wir jungen Marxisten treten für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ein, in der das Volk allein bestimmt.

Wir fordern die Wiederzulassung der Kommunistischen Partei.

Wir sind für eine Freiheit, in der Gesetze zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung, der arbeitenden Jugend gemacht werden und dagegen, dass durch Notstandsgesetze die Rechte der Arbeiter noch mehr eingeschränkt werden.

Wir wollen eine umfassende demokratische Schulreform, Beseitigung aller bestehenden Bildungsschranken und sind für eine zeitgemäße Sexualaufklärung.

Die Herrschenden sagen uns: Wir haben soziale Sicherheit!

Tatsache ist:

  • Arbeiter werden entlassen, Sozialleistungen abgebaut.
  • Wissenschaftler müssen ins Ausland gehen, um besser forschen zu können.
  • Die Kluft zwischen Unternehmergewinnen und Löhnen wird immer größer; die Preise laufen dem Verdienst davon.
  • Die Berufsaussichten und die Berufsausbildung für große Teile der Jugendlichen sind schlecht.
  • Der Fortschritt und die wissenschaftlich-technische Revolution werden zum Nachteil der arbeitenden Bevölkerung durchgeführt.

Wir vollen gesicherte Arbeitsplätze, ausreichende Mittel für die Forschung und Ausbau der Studieneinrichtungen. Wir treten für die Beendigung der unsozialen und ungerechten Freistellung von Arbeitern durch die Automation ein. Sinn einer technischen Revolution kann es nur sein, den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung zu heben. Wir sind überzeugt, dass erst im Sozialismus alle Neuerungen der Bevölkerung zugute kommen.

Wir unterstützen die Forderung der Gewerkschaften nach Mitbestimmung.

Man sagt uns: Die Herrschenden wollen Frieden!

Tatsache ist:

  • Die Bundesregierung will die bestehenden Grenzen ändern. Sie maßt sich nach wie vor die Alleinvertretung für das deutsche Volk an, strebt die Mitverfügung über atomare Waffen an und erhöht ständig den Rüstungshaushalt; sie betreibt damit eine Politik, die die Gefahr eines Krieges in sich birgt.
  • Der Antikommunismus ist Grund1age der Politik in Bonn.
  • Die Regierung unterstützt moralisch, finanziell und politisch den amerikanischen Unterdrückungskrieg gegen das vietnamesische Volk und die faschistischen Regimes in Portugal, Spanien und Griechenland. Sie versucht, durch neokolonialistische Bestrebungen den Fortschritt in der Welt zu unterbinden.

Wir wollen eine Friedenspolitik. Wir sind für die Anerkennung der DDR und der bestehenden Grenzen in Europa, für den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO, für ein System der europäischen Sicherheit.

Die Bundeswehr ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse.

Wir fordern:
Die Herabsetzung der Wehrpflicht auf 12 Monate als ersten Schritt ihrer Abschaffung.

Wir fordern:
50-prozentige Kürzung des Rüstungshaushalts zugunsten sozialer Einrichtungen.

Wir sind für gute Beziehungen zur Jugend in den sozialistischen Ländern und auch zu den demokratischen Jugendverbänden der kapitalistischen Länder.

Wir wollen Freundschaft mit der Jugend der DDR und zu ihren Organisationen auf gleichberechtigter Basis, auf der kein Platz für Diskriminierung und Hetze ist.

Wir vollen eine friedliche Vereinigung beider deutscher Staaten. Das ist erst dann möglich, wenn die reaktionäre Machtkonzentration in der Bundesrepublik gebrochen ist.

Wir solidarisieren uns mit den Unabhängigkeitskämpfen und den Befreiungsbewegungen in aller Welt.

Wir wollen eine Politik, die für das Jahr 2000 sorgt

Der Kapitalismus hat bewiesen, dass er der Jugend keine politische, berufliche und sozial gesicherte Zukunft bieten kann.

Wir jungen Marxisten und Sozia1isten wollen mit allen jungen Menschen in der Bundesrepublik zusammenarbeiten, die gegen die reaktionäre und gefährliche Entwicklung und gegen den Neonazismus auftreten, die für Demokratie, Frieden, sozia1en und gesellschaftlichen Fortschritt einstehen.

Die Erfüllung dieser Forderung ist eine wesentliche Voraussetzung, um unser Ziel, den Sozialismus, zu erreichen.

Das ist eine Politik, die für des Jahr 2000 sorgt; desha1b sind wir für eine sozialistische Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik.

Wir wenden uns an alle jungen Arbeiter, Angestellten, Lernenden und Studierenden, an junge Marxisten und Sozialisten, an alle jene, die sich für das Neue, für den gesellschaftlichen Fortschritt engagieren wollen.

Wir rufen auf zur Gründung einer Revolutionären Sozialistischen Jugendorganisation.

Leverkusen, 27./28. Januar 1968

Die Mitglieder des Gründungausschusses: Gerd Bauer, Ludwigshafen; Manfred Baumgart, Duisburg; Günter Bischoff, Gelsenkirchen; Werner Bolte, Bremen; K1aus Czyborra, Essen; Ilona Doll, Essen; Jürgen Düster, Leverkusen; Gerhard Ebel, Frankfurt/Main; Armin Franz, Gelsenkirchen; Wolfgang Gehrcke, Hamburg; Sylvia Gingold, Frankfurt/Main; Karin Glinski, Gelsenkirchen; Peter Grimmelvkhiuzen, Leverkusen; Werner Hilke, Hannover; Wolfgang Jerrentrup, Mannheim; Ursel Ksumanns, Düsseldorf; Hans-Georg Kirchhoff, Gelsenkirchen; Marcella Knipping, Essen; Dieter Keller, Mannheim; Peter Leyendecker, Düsseldorf; Walter Möbius, Mülheim/Ruhr; Rolf Jürgen Priemer, Dortmund; Peter Rath, Dortmund; Wolfgang Rosenbaum, Bremen; Manfred Rosenbleck, Dusburg; Margrit Sittner, Dortmund; Franz Stein, Gelsenkirchen; Peter Tuchscherer, Köln; Heiko de Vries, Bremen.

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