Erklärung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zum 80. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!
Am 8. Mai 2025 begehen wir den 80. Jahrestag der Befreiung Europas von Faschismus und Krieg. Die Zeichen der Zeit lassen schon jetzt erahnen, welche Formen und Inhalte das staatsoffizielle Gedenken annehmen wird. Die deutsche Monopolbourgeoisie und ihre Regierung werden versuchen, sich selber in die Tradition der Anti-Hitler-Koalition zu stellen und ihren Aggressionskurs gegen Russland und China in das Gewand des Antifaschismus zu hüllen.
Der deutsche Imperialismus scheiterte 1945 mit seinem Anlauf zur Rolle der dominierenden Weltmacht. Nun zeigt er seine ideologische Wendigkeit, indem er das Erbe der damaligen Nazi-Gegner in den Dienst seiner expansiven Ziele stellt. Er vereinnahmt Menschen, die nach seinem Willen gefoltert und ermordet wurden.
Ebenso ist zu erwarten, dass die tragende Rolle der Sowjetunion beim Sieg über Nazideutschland heruntergespielt oder in ihr Gegenteil verkehrt werden wird. Und es wird nicht an wortreichen Klagen über den Faschismus als das „unbegreifbar Böse“ fehlen, wohl wissend, dass diejenigen, welche den Nazi-Terror mit der Aura des „Unfassbaren“ umgeben, seinen Nachfolgern letztlich in die Hände spielen. Denn wie soll erfolgreiche Gegenwehr gegen ein Phänomen möglich sein, das zu verstehen man außerstande ist? Deswegen wollen wir Kommunistinnen und Kommunisten den Hitlerfaschismus im Lichte seiner Wurzeln und Kontinuitäten darstellen. Denn letztlich ist er nichts weniger als unbegreiflich.
Was machte den Faschismus für das deutsche Monopolkapital attraktiv?
Als politische Bewegung formierte sich der deutsche Faschismus nach der Niederlage Deutschlands und seiner Verbündeten im Ersten Weltkrieg. Woran war der weitreichende Griff des Kaiserreiches tief nach Frankreich und nach Russland hinein und die Herausforderung Britanniens zur See gescheitert? Diese Frage war für die deutsche Monopolbourgeoisie keineswegs von historischer Bedeutung, sondern vielmehr brennend aktuell. Denn das Ziel, Deutschland zur beherrschenden Großmacht Europas und darüber hinaus zu machen, war aus ihrer Sicht mit der Niederlage von 1918 nicht „abgehakt“, sondern nur aufgeschoben. Nun mussten eigene strategische Schwächen analysiert und neue politische Kräfte ausfindig gemacht werden, welche den nächsten Großmachtanlauf zu realisieren imstande waren.
Unter diesen Aspekten avancierte der Faschismus zum am meisten Erfolg versprechenden Projekt. Dies hatte mehrere Gründe. In einflussreichen Kapitalkreisen sah man ein wesentliches Manko vor allem darin, dass es im Ersten Weltkrieg nicht gelungen war, die deutsche Bevölkerung und vor allem die Arbeiterklasse dauerhaft in die Kriegspolitik zu integrieren. Die Kriegsbegeisterung der Volksmassen im Sommer 1914 hatte sich als kurzlebig erwiesen. Dem Rausch des Hurrapatriotismus folgte erst Ernüchterung und dann Widerwille bis zum Widerstand.
1918 zogen Deutschlands Arbeiter und Soldaten unter roten Fahnen durch die Straßen und kündigten dem Kaiser den Gehorsam auf. Die Aussicht, für Krone und Kapital beim Massensterben an der Front zugrunde zu gehen, hatte ihren „Glanz“ gänzlich verloren. Pazifistische sowie sozialistische Parteien und Strömungen hatten großen Zulauf. Und gerade ihr Wirken, die Aktivität von USPD, KPD und bürgerlichen Kriegsgegnern wurde von rechts ins Visier genommen.
General Erich Ludendorff, der mit Feldmarschall Paul von Hindenburg während des Krieges an der Spitze der Obersten Heeresleitung stand, hatte während dieser Zeit bereits an Konzepten des „Totalen Kriegs“ gearbeitet. Zu verstehen war darunter die Umstellung und Mobilisierung der gesamten Gesellschaft auf die Kriegserfordernisse in allen Bereichen, das heißt in Politik, Wirtschaft und Kultur. Dies stellte einen Bruch dar mit den alten Vorstellungen vom Krieg als einer „Ressort-Angelegenheit“ der Armee. Der moderne Krieg sollte die vollständige Gesellschaft erfassen. Dies führt zum Begriff des feindfreien Herrschaftsraums. Es sollte nicht mehr geduldet werden, dass revolutionäre oder auch nur reformistische Kräfte von links die Militärmaschinerie durch Widerstand ins Stocken bringen. Auch in diesem Zusammenhang versprach der Faschismus, nützliche Dienste zu leisten.
Ein weiterer Aspekt betraf die Frage des Umgangs mit Gebieten, welche im Zuge eines neuen Krieges, den man in weiten Teilen des deutschen Großkapitals zwecks Revision des Versailler Vertrags für unumgänglich hielt, erobert werden würden. Auch hier verfolgte der Faschismus einen „totalen“ Ansatz. Gerade im Hinblick auf Polen und die Sowjetunion war die radikale Ausnutzung von Land, Mensch und Natur vorgesehen. Es sollte ohne Rücksicht auf Verluste herausgeholt werden, was herauszuholen war. Die natürlichen Schätze sollten vor allem der deutschen Rüstungsproduktion zugeführt werden, Agrargüter in solchem Umfang geraubt werden, dass die einheimische Bevölkerung verhungern musste. Den Menschen in den besetzten Gebieten war vor allem die Rolle von Sklavenarbeitern zugedacht, deren baldiger Tod infolge unmenschlicher Arbeitsbedingungen gerade in Osteuropa bewusst eingeplant war. Es ging um Ausbeutung beziehungsweise Vernichtung in möglichst profitabler Form. Widerstand in den okkupierten Ländern sollte mit dem gleichen brutalen Terror gebrochen werden, wie er im Innern gegen die Arbeiterbewegung vorgesehen war.
Unter faschistischem Vorzeichen erfolgte eine Abkehr vom Ziel des Kolonialerwerbs in Übersee. Ein Wiederaufgreifen dieser Linie des kaiserlichen Deutschlands hätte zu einer frühzeitigen Konfrontation mit der Kolonialgroßmacht Britannien geführt. Dagegen gab es in deutschen Kapital- und Militärkreisen Vorbehalte. Der Vorstoß nach Osten gegen die Sowjetunion bot hingegen die Aussicht auf einen enorm großen geografischen Raum mit beträchtlichen Mengen an Rohstoffen sowie umfangreichen Agrarflächen, verbunden mit der Chance, den ideologischen Hauptfeind zu vernichten, der mit seinem sozialistischen Gesellschaftsaufbau die Fundamente der eigenen Ordnung in Frage stellte.
Abgesichert werden sollte dieser Kurs durch die Einbettung in ein internationales Bündnissystem in Gestalt einer faschistischen Achse. Man wollte nicht mehr auf Partner angewiesen sein wie auf die fragile Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Mehr Erfolg versprechend erschien nun eine Orientierung auf das erstarkende Japan, das sich anschickte, zur ostasiatischen Hegemonialmacht aufzusteigen, und auf das bereits unter faschistischer Führung stehende Italien.
In militärischer Hinsicht erfolgte unter faschistischer Führung nach 1933 die Entwicklung einer Doktrin, die unter dem Namen „Blitzkrieg“ bekannt wurde. Sie nutzte den neuesten Stand der Militärtechnik, um eine Wiederholung des erfolglosen und zermürbenden Stellungskriegs von1914 bis 1918 zu vermeiden. Besonders die Entwicklung von Luft- und Panzerwaffe sowie motorisierter Infanterie ermöglichten das „Gefecht der verbundenen Waffen“, in dessen Zuge rasche Vorstöße und Umfassungsbewegungen auf gegnerischem Gebiet den Erfolg bringen sollten.
Damit sind die wesentlichen Aspekte genannt, welche die NSDAP zur bevorzugten Option des deutschen Großkapitals machten: Zerschlagung der Arbeiterbewegung, feindfreier Herrschaftsraum, Vernichtung des ideologischen Hauptfeinds auf internationaler Ebene, Eroberung und maximale Ausbeutung neuer Gebiete sowie eine moderne Militärdoktrin.
Antisemitismus und Vernichtung der Juden
Allerdings setzte der Faschismus nicht ausschließlich auf Terror, um ein konformes Verhalten der Bevölkerungsmehrheit zu erzwingen. Neben die Repression trat das Bemühen um Integration, das heißt um die Gewinnung der Köpfe und Herzen. Dies war kein einfaches Unterfangen, da die Herrschaftspraxis der Nazis für den überwiegenden Teil der Bevölkerung – und vor allem die Arbeiterklasse – Entrechtung und Entbehrung bedeutete, verbunden mit der Aussicht, in einem Krieg zugrunde zu gehen, der zum Nutzen einer kleinen Minderheit geführt werden würde. Es musste gelingen, die Massen entgegen ihrer objektiven Interessenlage zu mobilisieren für die Herrschaftsziele der Monopole, welche ihnen als identisch mit den eigenen Interessen vorgespielt werden sollten. Eine besondere Rolle bei diesen Integrations- und Mobilisierungsbemühungen kam dem Antisemitismus zu.
Dies war insoweit naheliegend, als sich hier die Gelegenheit bot, an eine jahrhundertealte Tradition der Judenfeindschaft anzuknüpfen. Das Feld war gewissermaßen schon bereitet. Allerdings hatte sich der „alte“ Antisemitismus seit dem Mittelalter vor allem aus religiösen Quellen gespeist. Maßgebend war hier das christliche Feindbild vom Volk der „Christusmörder“.
Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewann eine neue Form der Judenfeindschaft vor allem in Deutschland an Boden, welche nicht mehr religiöse Differenzen in den Mittelpunkt stellte, sondern die angebliche „rassische Minderwertigkeit“ der Juden betonte. „Die Religion ist einerlei, im Blute liegt die Schweinerei!“ lautete ein antisemitisches Schlagwort dieser Zeit. Somit wurde den Juden auch der Weg der Assimilation mit Hilfe der christlichen Taufe versperrt. „Rassenzugehörigkeit“ wurde als unumstößliches Faktum postuliert, das durch keine Willensentscheidung zu ändern war. Dieses Denkmuster griff der Faschismus auf und radikalisierte es. Für die herrschende Klasse Deutschlands – zunächst im Kaiserreich und später im Dritten Reich – konnte der moderne Antisemitismus nützliche Dienste leisten. Er bot die Gelegenheit, der Bevölkerungen einen „ideellen Gesamtfeind“ zu präsentieren, gegen den zu kämpfen zur Überlebensfrage stilisiert wurde. Antikapitalistische Einstellungen wurden umgeleitet, indem die Nazis zwischen „schaffenden“ deutschen Kapitalisten und „raffenden“ jüdischen Kapitalisten unterschieden, Erstere würden produzieren, Letztere mittels Zinsen alle anderen ausbeuten.
Nicht wenige in Deutschland lebende Juden engagierten sich zudem in demokratischen, pazifistischen oder sozialistischen Vereinigungen. Dies bot den Herrschenden die Möglichkeit, linksoppositionelle Kräfte im Innern als jüdisch beherrscht darzustellen. Ebenso lebten aber auch Juden im als feindlich betrachteten Ausland. Soweit sie dort wichtige Funktionen in Staat, Wirtschaft oder Kultur bekleideten, wurde auch dies als Zeichen jüdischer Dominanz gewertet. Eine Zuspitzung erlebte die antisemitische Hetze nach dem Sieg der Oktoberrevolution in Russland. Viele Juden hatten sich den Bolschewiki angeschlossen, da sie hoffen konnten, in einer sozialistischen Republik endlich vollwertige Staatsbürger zu sein und nicht mehr wie im Zarenreich hilflose Opfer antisemitischer Pogrombanden. Von den Faschisten wurde dieser Umstand aufgegriffen mit der Schaffung des Schlagwortes vom „jüdischen Bolschewismus“.
Das Judentum wurde dargestellt als der omnipräsente Feind: im Inneren als zersetzende Opposition, in den USA als gierige „Hochfinanz“ und in der Sowjetunion als bolschewistischer Feind der Zivilisation. Wenn es also darum ging, gegen die genannten Staaten zu rüsten und im Inneren Jagd auf politische Gegner zu machen, so konnte die Bevölkerung zur tätigen Mitwirkung aufgefordert werden im Zeichen des Kampfes gegen einen heimtückischen Feind, der nicht nur gegnerische Staaten im Griff hat, sondern auch im eigenen Land sein Zersetzungswerk verrichtet. Vom Konzept des „Universal-Feinds“ versprachen sich die Nazis zu Recht eine hohe Mobilisierungswirkung.
Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler begann bald der schrittweise Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben. Wenn die Juden, wie die Nazi- Propaganda behauptete, das Unglück der deutschen Nation sein sollten, so musste diese Behauptung im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit durch drastische Aktionen untermauert werden. SA-Trupps organisierten Boykottkampagnen gegen jüdische Geschäfte. Mit den Nürnberger Rassegesetzen 1935 verloren die Juden ihren Status als gleichberechtigte Staatsbürger auch offiziell. Eheschließungen mit nichtjüdischen Deutschen wurden ihnen untersagt. Gleichzeitig wurde ständig der Kreis der Berufe ausgeweitet, in denen Personen jüdischer Herkunft nicht mehr tätig sein durften. Immer weitere öffentliche Einrichtungen wurden bekanntgegeben, zu denen die jüdische Bevölkerung keinen Zutritt mehr haben sollte. Der fränkische Gauleiter Julius Streicher begleitete diese Entwicklung in seiner antisemitischen Zeitung „Der Stürmer“ mit Hasspropaganda, die in ihrer Niveaulosigkeit und Widerwärtigkeit ihresgleichen suchte.
Ein weiterer Höhepunkt war die Reichspogromnacht vom 9. November 1938. In ganz Deutschland entfesselte die SA mit Unterstützung deutscher Bürgerinnen und Bürger den offenen Terror gegen die jüdische Bevölkerung. Zahllose Synagogen brannten, Geschäfte wurden geplündert und zertrümmert, jüdische Menschen auf offener Straße gequält und ermordet. Zwei Tage zuvor hatte der siebzehnjährige Herschel Grynszpan, ein jüdischer Emigrant, in Paris den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath erschossen, um gegen den in Deutschland zur Staatsdoktrin erhobenen Antisemitismus zu protestieren. Reichspropagandaminister Goebbels nahm das zum Anlass, nun einen Ausbruch von „spontanem Volkszorn“ zu organisieren. Die einzige überregionale Organisation, die dagegen protestierte, war die illegale KPD, die dazu aufrief, den bedrängten jüdischen Mitbürgern zu helfen.
Ab 1941 begannen die ersten Deportationen in Ghettos, die sich vor allem in den Städten Polens und des Baltikums befanden. Die in ihnen herrschenden Lebensbedingungen waren derart katastrophal, dass bereits dort ein Massensterben einsetzte. Aber noch stand die letztliche Entscheidung der Nazi-Führung aus, was das letztendliche Schicksal der deutschen und europäischen Juden sein sollte. Diese fiel im Jahr 1942 bei der sogenannten Wannsee-Konferenz. Hier wurde die industrielle und vollständige Vernichtung des Judentums beschlossen und geplant. Wohl hatte es vorher auch andere Überlegungen gegeben. Bekannt ist der „Madagaskar-Plan“, der die Zwangsaussiedlung der europäischen Juden auf die Insel vor der afrikanischen Ostküste vorsah. Dies ließ sich aber angesichts der militärischen Überlegenheit Britanniens zur See nicht umsetzen. Und zum anderen erschien es auch nicht mehr opportun, eine Bevölkerungsgruppe, die man sich mit der größten vorstellbaren Radikalität zum Feind gemacht hatte, am Leben zu lassen, damit diese dann die Reihen der Gegner Hitlerdeutschlands verstärken würde.
Somit begann der Völkermord in den Vernichtungslagern Auschwitz, Majdanek, Treblinka und Sobibor. Aber auch bei der Durchführung dieses bislang einmaligen Massenverbrechens ließ man den Aspekt der Gewinnerwirtschaftung nicht außer Acht. Wenn heute über Auschwitz gesprochen wird, bleibt meist ein Aspekt auffällig unterbelichtet, und zwar das Lager Auschwitz-Monowitz, wo sich Produktionsstätten des IG-Farben-Konzerns befanden. Hier wurde „Vernichtung durch Arbeit“ praktiziert. Wer nicht unmittelbar bei der Zwangsarbeit starb, wurde, wenn seine Kräfte nicht mehr ausreichten, ins Stammlager Auschwitz-Birkenau geschickt und dort in einer der Gaskammern ermordet. Schon bald nach der Machtübertragung hatte sich deutschen Konzernen, aber auch kleinen und mittleren Kapitalisten die Chance geboten, sich bei der „Arisierung“, das heißt dem staatlich legitimierten Raub jüdischen Eigentums, massiv zu bereichern. Und sie wurde ausgiebig genutzt. Die Ausrottung durch Zwangsarbeit war der perverse Höhepunkt dieser Barbarei. Denjenigen, die dies „unbegreiflich“ finden, sei empfohlen, die viel zu selten aufgeworfene Frage nach den Nutznießern zu stellen. Im Fall einer ehrlichen Antwort wird man „klangvolle“ Namen des deutschen Unternehmertums aus Vergangenheit und Gegenwart hören.
Bis heute wird oft die Frage gestellt, warum die Vernichtung der Juden selbst in der Schlussphase des Kriegs, das heißt, im Angesicht der eigenen Niederlage, fortgesetzt wurde, anstatt die hierzu benötigten Kapazitäten militärisch einzusetzen. Hierzu muss man wissen, dass in Kreisen von Wirtschaft und Reichsregierung bereits über den Tag der eigenen Niederlage hinaus geplant wurde. Im Reichswirtschaftsministerium erörterte man bereits Optionen eines dritten Anlaufs deutscher Großmachtpolitik für eine Zeit, in der die Person Hitler nur noch Geschichte sein würde. Vor diesem Hintergrund erschien es sinnvoll, Personengruppen, deren entschlossenste Gegnerschaft man auch zu diesem späteren Zeitpunkt zu erwarten hatte, radikal zu vernichten, so lange man es noch konnte.
Die Anti-Hitler-Koalition
Ein Jahr, nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, tagte in Moskau der XVII. Parteitag der KPdSU. Stalin erstattete den Rechenschaftsbericht, in dem er ausdrücklich vor der Bedrohung durch den aufsteigenden Faschismus warnte. Zudem wurde an die Westmächte appelliert, gemeinsam mit der Sowjetunion dieser Gefahr zu begegnen. Aber die ausgestreckte Hand wurde nicht ergriffen. Britannien und Frankreich sendeten stattdessen lieber ermunternde Signale an Nazideutschland. Die dort bald einsetzende massive Aufrüstung, die im eklatanten Gegensatz zum Versailler Vertrag stand, wurde nahezu umstandslos akzeptiert. Auch als die Wehrmacht 1936 in die entmilitarisierte Rheinland-Zone einmarschierte, rührten die Westmächte keinen Finger. Im gleichen Jahr putschte General Franco gegen die Spanische Republik. Nur durch massive Militärhilfe aus Deutschland und Italien gelang ihm nach drei Jahren Krieg die Errichtung seiner ebenfalls faschistischen Diktatur. Zum Erbe des antifaschistischen Widerstands gehört auch der in der BRD historisch weitgehend ignorierte Kampf der Internationalen Brigaden an der Seite der Spanischen Republik. Dass die Franco-Faschisten letztlich dennoch siegten, lag nicht zuletzt an ihrer Begünstigung durch Britannien und Frankreich im Namen einer heuchlerischen „Nichteinmischung“.
Im Frühjahr 1938 marschierte die Wehrmacht in Österreich ein. Die Alpenrepublik wurde ins Deutsche Reich eingegliedert. Und wieder hielten die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens still. Immer deutlicher wurde, wie recht der italienische KP-Führer Palmiro Togliatti gehabt hatte, als er beim VII. Weltkongress der Komintern 1935 davon gesprochen hatte, dass die westeuropäischen Imperialisten darauf hoffen, dass sich der deutsche Expansionsdrang nach Osten entlädt. Was im Zuge des Interventionskrieges gegen Sowjetrussland im Anschluss an die Oktoberrevolution 1917 nicht gelungen war, sollte nun die deutsche Wehrmacht bewerkstelligen: die Vernichtung des sozialistischen Erzfeinds.
Ihren Höhepunkt erreichte diese perfide Strategie im September 1938 in München. Hitler hatte Anspruch erhoben auf westliche Regionen der Tschechoslowakei, das sogenannte Sudetenland, in dem auch deutschstämmige Bevölkerung lebte. Die NSDAP hatte dort eine Art „Auslandsfiliale“ gebildet, die vehement für den Anschluss an Deutschland agitierte. Im sogenannten Münchener Abkommen gaben die Regierungen Britanniens, Frankreichs und Italiens Hitler die Zustimmung zum Einmarsch in das Sudetenland. Die tschechoslowakische Regierung hatte man gar nicht erst nach München eingeladen. Sie durfte von Prag aus zusehen, wie ihr Land durch die westlichen Großmächte verschenkt wurde. Dass die Reichsregierung die „Münchener Signale“ durchaus richtig verstanden hatte, zeigte sie kurz darauf, als sie im März 1939 auch das restliche Tschechien („Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“) besetzen ließ und im slowakischen Landesteil eine faschistische Marionettenregierung etablierte. Angebote der Sowjetregierung, an einem Bestandsschutz der CSR mitzuwirken, hatte man zuvor westlicherseits in den Wind geschlagen.
Und dennoch hatte man in Moskau noch nicht alle Hoffnungen auf ein Übereinkommen mit Britannien und Frankreich aufgegeben. Es wurde weiterverhandelt und das so lange, bis auch die Sowjetführung erkennen musste, dass die Gespräche durch die andere Seite ohne den ernsthaften Willen, greifbare Ergebnisse zu erzielen, geführt wurden. Und so wurde am 24. August 1939 ein Nichtangriffsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR geschlossen. Die Empörung in den westlichen Hauptstätten war an Heuchelei schwer zu überbieten, hatte man doch alles getan, Nazideutschland zu ermutigen. Nun sah man sich der Gefahr gegenüber, im Zuge einer strategischen Neuorientierung der Reichsregierung selber zum Angriffsziel zu werden. Der Sowjetunion hingegen war es mit einem klugen Schachzug gelungen, Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung auf den deutschen Angriff, der nun zu einem späteren, wenn auch nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt zu erwarten war. Das geheime Zusatzprotokoll, mit dem die Sowjetunion sich nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen Gebiete sicherte, die ihr 1921 im Vertrag von Riga abgepresst worden waren, steht besonders in der Kritik. Damit konnte die Sowjetunion allerdings ihre Grenze weiter nach Westen schieben und auch Raum zur Verteidigung gewinnen.
Das Europäische Parlament machte am 2. April 2009 den Jahrestag der Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrages zum „Gedenktag der Opfer totalitärer Regimes“. Es wäre wohl passender gewesen, diesen Beschluss einen Tag früher, am 1. April. zu fassen, denn in der Tat wirkt er wie ein schlechter Scherz, wenn man die Vorgeschichte des 24. August 1939 in seine Betrachtungen einbezieht. Es handelt sich wohl eher um den Versuch, die Schande von München aus dem Gedächtnis zu drängen.
Am 1. September 1939 überfiel die Wehrmacht nach einem vorgetäuschten polnischen Übergriff auf deutsches Gebiet Polen und eröffnete damit den Zweiten Weltkrieg in Europa.
Die polnische Armee zeigte sich den wesentlich moderneren deutschen Streitkräften nicht gewachsen und brach nach wenigen Wochen zusammen. Britannien und Frankreich erklärten Deutschland den Krieg – aber vorerst blieb es bei der Erklärung. Offenbar waren noch nicht alle Hoffnungen auf einen deutsch-sowjetischen Zusammenstoß erloschen und so blieb es an der deutsch-französischen Grenze ruhig. Der von Polen vermutlich erwartete Entlastungsangriff an der Westfront blieb aus. Dafür besetzte Deutschland im 9. April 1940 Dänemark und Norwegen (Operation Weserübung). Auch hier blieb der militärische Widerstand gering.
Am 10. Mai 1940 sah die deutsche Führung den Zeitpunkt gekommen für die unmittelbare Konfrontation mit den Westmächten. Die Wehrmacht überfiel Belgien, Luxemburg und die Niederlande und stieß nach Frankreich vor. Die französische Maginot-Linie zeigte nicht ihre erhoffte Defensivwirkung und wurde von den deutschen Truppen teilweise umgangen. Britische Truppen, die zur Unterstützung des französischen Verbündeten entsandt worden waren, wurden an der Kanalküste bei Dünkirchen eingekesselt und entgingen nur durch Evakuierung der Vernichtung. Bereits am 25. Juni endete der Westfeldzug mit dem französischen Zusammenbruch. Das Land wurde im Norden von deutschen Truppen besetzt und im Süden von einer Kollaborationsregierung unter Marschall Pétain verwaltet („Vichy- Regime“). Das deutsche Blitzkriegskonzept hatte sich als überaus erfolgreich gezeigt. Gerade diese Erfolge sollten aber in der Zukunft auch Selbstüberschätzung fördern und den Blick trüben für die Grenzen dieser Art von Kriegführung.
Einen ersten Dämpfer erfuhr das Nazi-Regime, als es vom 10. Juli bis zum 31. Oktober 1940 im Zuge der „Luftschlacht über England“ nicht gelang, Britannien für die deutsche Invasion sturmreif zu bomben.
Problematisch wurde für die Wehrmacht auch das militärische Versagen ihres italienischen Verbündeten, der 1939 Albanien besetzt hatte und ein Jahr später Griechenland überfiel. Bereits die albanischen Partisanenverbände hatten den italienischen Truppen zu schaffen gemacht. Der Einmarsch in Griechenland drohte nun angesichts des zähen Widerstands der Griechen zum Debakel zu werden. Um dies zu verhindern, begann am 6. April 1941 der deutsche Balkanfeldzug zur Besetzung Jugoslawiens und Griechenlands. Zwar endete er mit einem militärischen Erfolg, aber in der Folge wurden in diesen Ländern umfangreiche Kräfte gebunden im Gefecht mit den kampfstarken Partisaneneinheiten.
Auch in Nordafrika erlebte Mussolini das Scheitern seiner hochfliegenden Pläne. In der dortigen Konfrontation mit den britischen Truppen zeigte sich die italienische Armee völlig überfordert. Am 10. Juni 1940 trat das deutsche Afrika-Korps unter Feldmarschall Rommel in die Kämpfe ein. Ihm gelangen im Anschluss einige Erfolge, die von der deutschen Propaganda gefeiert wurden und auch auf der Gegenseite nicht ohne Eindruck blieben. Letztlich scheiterte das Afrikakorps aber im Mai 1943 in den Gefechten bei El Alamein gegen die britischen Verbände unter Feldmarschall Montgomery.
Am 22. Juni entschloss sich die Führung Nazi-Deutschlands mit dem Überfall auf die UdSSR zu ihrem letztlich entscheidenden militärischen Fehler. Allerdings bot sich zunächst ein Bild, dass auch hier auf einen raschen deutschen Erfolg hinzudeuten schien. Die Rote Armee erlebte schwere Niederlagen und erlitt hohe Verluste durch die Wehrmacht und ihre europäischen Verbündeten. Aber bereits um die Jahreswende 1941/1942 zeigte sich in der Schlacht von Moskau, dass die Wehrmacht ihren Zenit überschritten hatte. Die bereits für sicher gehaltene Einnahme Moskaus scheiterte. Leningrad hielt vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 einer deutschen Belagerung stand, die über eine Million zivile Opfer forderte. Als am 2. Februar 1943 die 6. Armee der Wehrmacht in Stalingrad kapitulierte, ging eine Schockwelle durch die Staaten der faschistischen Achse und Millionen von Menschen, die unter dem Hakenkreuzterror litten, schöpften Hoffnung. Im Juli 1943 scheiterte eine deutsche Offensive bei Kursk („Unternehmen Zitadelle“), worauf die offensive Initiative auf die Seite der Roten Armee überging. Das Blitzkriegskonzept der Wehrmacht scheiterte an einer überdehnten Front, an sehr langen Nachschubwegen durch Gebiete, in denen schlagkräftige Partisaneneinheiten operierten, an einem nicht für möglich gehaltenen Widerstandswillen der gesamten sowjetischen Bevölkerung und an fähigen militärischen Führern der Roten Armee. Kriegswichtige Betriebe wurden demontiert und in weiter östlich gelegenen Landesteilen wieder aufgebaut. Technische Defizite in der Bewaffnung der Roten Armee wurden erkannt und behoben, zum Beispiel durch die Konstruktion des T-34-Panzers, der sich den hochmodernen deutschen Panzern bald ebenbürtig oder sogar überlegen zeigte.
Währenddessen spekulierten die Westmächte weiter auf eine gegenseitige deutsch- sowjetische Abnutzung beziehungsweise Schwächung. Stalin drängte auf die Eröffnung der „Zweiten Front“ in Westeuropa und wurde vertröstet. Die gemeinsame Konfrontation mit Nazideutschland hatte die alte Feindschaft nicht aufgehoben, sondern nur in den Hintergrund gedrängt. Obwohl die USA bereits 1941 in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren, sollte es noch bis zum 6. Juni 1944 dauern, bis Truppen der US-Armee gemeinsam mit britischen Verbänden in der Normandie landeten. Diese Operation, die heute von manchen Historikern als der eigentliche Wendepunkt im Kriegsverlauf beschrieben wird, fand elf Monate vor Kriegsende statt, als die Rote Armee bereits „auf dem Weg nach Berlin war“. Ein noch längeres angloamerikanisches Abwarten wäre vor dem Hintergrund eigener Hegemonialansprüche im Nachkriegseuropa nicht mehr zu verantworten gewesen.
Die Anti-Hitler-Koalition blieb bis zum Schluss ein fragiles Bündnis. Nichts verdeutlicht das besser als der Umstand, dass von 1943 bis 1945 in der Schweiz zwischen dem US- amerikanischen Geheimdienst und SS-Kreisen geheime Verhandlungen stattfanden. Es ging um einen Separatfrieden zwischen Deutschland und den Westmächten mit der Option eines anschließenden gemeinsamen Kriegs gegen die Sowjetunion, wobei die US-amerikanische Seite aber die Bildung einer deutschen Regierung ohne Hitler verlangte.
Sowjetunion und antifaschistischer Widerstand
Allen geschichtsrevisionistischen Verdrehungen ist auch weiterhin entgegenzuhalten, dass der Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs in Stalingrad erkämpft wurde. Der dargelegte Verlauf der militärischen Ereignisse lässt keinen anderen Schluss zu. Auch muss die Frage klar beantwortet werden, wie der Tod von 27 Millionen Sowjetmenschen zu bewerten ist.
Keineswegs kann hier einfach nur von Kriegstoten gesprochen werden. Bei dem überwiegenden Anteil handelte es sich um Zivilpersonen. Hitler selber hat davon gesprochen, dass der Krieg gegen die Sowjetunion nicht mit bisherigen Kriegen zu vergleichen sei, da es sich um einen „Rassenkrieg“ handele, das heißt um einen Feldzug zur Vernichtung eines rassisch minderwertigen Teils der Menschheit. Die slawischen Völker waren wie die Juden zum Ziel faschistischer Eliminierung geworden. Belegt wird dies durch die Ausführungen des „Generalplans Ost“, in dem die Ausrottung slawischer Menschen durch Ermordung, Hunger und Sklavenarbeit als Voraussetzung „arischer“ Besiedlung der eroberten Gebiete definiert wurde. Der Krieg gegen die Sowjetunion hatte zweifelsfrei eliminatorischen Charakter und muss als Völkermord bezeichnet werden. Er stellt das umfangreichste Massenverbrechen des Hitlerfaschismus dar.
Wenn die Frage gestellt wird, wie die Völker der Sowjetunion diesem Ansturm von Barbarei und Vernichtung standhalten konnten, so ist festzustellen, dass es der KPdSU und ihrer Führungsspitze gelungen ist, nahezu die gesamte sowjetische Bevölkerung über Klassen und Schichten hinweg zu einem Block des Widerstands zusammenzuschließen. Die Rote Armee war eine politische Armee, in deren einzelnen Einheiten Kommissare die ideologische Führung gewährleisteten und sich bei Kampfeinsätzen oft das Ansehen der Soldaten erwarben. Somit stand den Rotarmisten das Ziel ihres Kampfes, das heißt die Rettung ihrer Heimat vor der Vernichtung und die Befreiung der europäischen Völker vom Faschismus, klar vor Augen. Ebenso begriff sich die Zivilbevölkerung als kämpfend, zum Beispiel wenn sie Rüstungsbetriebe unter Aufbietung der letzten Kräfte demontierte und an anderen Orten außerhalb der gegnerischen Reichweite wieder aufbaute.
Wer Berichte liest über das Grauen der Belagerung von Leningrad wird verstehen, dass Lebens- und Kampfeswille im dort gezeigten Ausmaß nicht nur das Ergebnis von „Befehl und Gehorsam“ sein kann. Nach der Oktoberrevolution hatten die Menschen in der Sowjetunion ein gewaltiges wirtschaftliches, soziales und kulturelles Aufbauwerk geleistet. Es gab also viel Selbstgeschaffenes zu verteidigen. Nicht vergessen werden dürfen auch die Partisaneneinheiten, die im Rücken des Feindes mit Unterstützung der Zivilbevölkerung operierten. Unter der Bezeichnung „Partisanenbekämpfung“ verübten Wehrmacht und SS immer wieder bestialische Massaker an Zivilisten. Ein gesichertes Hinterland mit stabilen Nachschubwegen ließ sich aber auch dadurch nicht gewährleisten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle zahlreicher Frauen, die in der regulären Armee oder bei den Partisanen heldenhaft kämpften.
Strategie und Taktik der Partisanenkriegsführung waren auch in anderen faschistisch besetzten Ländern von Bedeutung, so zum Beispiel in Frankreich, Italien, Jugoslawien, Griechenland und Albanien. Die militärischen Erfolge, die dabei errungen werden konnten, waren so erstaunlich wie wirkungsvoll. In Frankreich und Italien erwarben sich die Kommunisten durch ihre tragende Rolle in diesen Kämpfen ein Ansehen, das weit über ihre Kernanhängerschaft hinausreichte. Sie traten nicht nur als Internationalisten in Erscheinung, sondern auch als Patrioten ihres Landes. Dass die italienische und die französische KP in der Nachkriegszeit zu den stärksten Parteien ihres Landes gehörten, ist nicht zuletzt in der Rolle begründet, welche sie in den Jahren der Besatzung und des Widerstands spielten.
So wie die Sowjetunion die Hauptlast des antifaschistischen Kampfes auf internationaler Ebene trug, so lag er in Deutschland auf den Schultern der KPD. Damit soll keineswegs die Rolle sozialdemokratischer, bürgerlicher oder christlicher Nazigegner geschmälert werden. Dennoch belegen sämtliche seriösen Untersuchungen, dass der kommunistische Teil des Widerstands sein mit Abstand größter war. Den Tausenden von Kommunistinnen und Kommunisten, die in den KZ litten und starben, den schlimmsten Torturen standhielten, war vor allem die Sowjetunion mit ihrem unbeugsamen Widerstand gegen die Nazi-Horden die Verkörperung ihres Hoffens. Dennoch traten sie oft in Austausch mit Mitgefangenen anderer Weltanschauungen und entwickelten Pläne für ein kommendes antifaschistisches Deutschland. Dass kurz vor Kriegsende Kommunisten wie Ernst Thälmann oder Sozialdemokraten wie Rudolf Breitscheid noch ermordet wurden, verweist wieder darauf, dass man in Staat und Wirtschaft darauf bedacht war, auch nach der zu erwartenden Niederlage im dann entstehenden neuen Deutschland für monopolkapitalistische Verhältnisse zu sorgen, die durch Opposition von links möglichst wenig gestört werden sollten.
Nach der Befreiung
Als am 17. Juli 1945 die Siegermächte in Potsdam zusammenkamen, um sich über eine Nachkriegsordnung für Deutschland zu verständigen, waren Millionen von Menschen auf der ganzen Welt von der Hoffnung erfüllt, dass nun Konsequenzen aus dem bislang größten Krieg der Menschheitsgeschichte gezogen würden, die den Weg bahnen würden zu einer internationalen Friedensordnung. Von ähnlichen Erwartungen war die Gründung der UNO am 24. Oktober 1945 begleitet. Heute ist kaum noch bekannt, dass auch die Vereinten Nationen antifaschistische Wurzeln haben. Am 1. Januar 1942 hatten die USA, Britannien, die Sowjetunion und 23 weitere Staaten die „Erklärung Vereinter Nationen“ verabschiedet, mit der man sich auf den gemeinsamen Kampf gegen die Achsenmächte verständigte. Diese Deklaration stellte den Grundstein der UNO dar.
In Potsdam einigte man sich darauf, Deutschland im Rahmen des Alliierten Kontrollrats als Einheit zu verwalten nach Maßgabe der „4 D“: Demokratisierung, Dezentralisierung, Denazifizierung und Demilitarisierung. Die Dezentralisierung zielte auch auf die Entflechtung monopolartiger Industrie- und Bankkartelle. Die Einsicht, dass das deutsche Großkapital eine tragende Säule des Faschismus gewesen war, war weit verbreitet bis in bürgerliche Schichten hinein. In Sachsen fand am 30. Juni 1946 eine Volksabstimmung statt, in deren Folge Betriebe aktiver Faschisten und Kriegsverbrecher enteignet wurden. In den Westzonen dagegen unterblieben solche Schritte, auch wenn sich wie bei der Abstimmung über die Hessische Landesverfassung 1946 eine klare Mehrheit dafür aussprach. Im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges setzten die Westmächte zunehmend auf die alten Eliten des Dritten Reichs und steuerten auf die Spaltung Deutschlands zu. Die drei westlichen Besatzungszonen wurden zur Trizone vereinigt, was eine Vorstufe zur Bildung eines westdeutschen Separatstaats darstellte. Der Alliierte Kontrollrat wurde zunehmend handlungsunfähig, da nur noch die Sowjetunion ein Interesse an der Einheit Deutschlands glaubhaft bekundete. Mit der westlichen Währungsreform 1948 war endgültig klar, dass mit der Spaltung nun ernst gemacht werden sollte. Den antifaschistisch-demokratischen Kräften in der Sowjetischen Besatzungszone blieb nichts anderes übrig als mit der Gründung der DDR die Konsequenz aus der zuvor erfolgten Gründung der BRD zu ziehen.
Damit standen sich nun zwei deutsche Staaten gegenüber. In der DDR war mit der Enteignung von Großkapital und Großgrundbesitz dem Faschismus die Grundlage entzogen worden, während im Westen die alten Herren der Banken und Fabriken, unterstützt von faschistischen Netzwerken in Politik, Justiz, Polizei und Militär, Kurs nahmen auf eine aggressive antisowjetische Revanchepolitik mit US-amerikanischer Rückendeckung. Während in der DDR das Erbe des antifaschistischen Widerstands zum Fundament des staatlichen Selbstverständnisses gehörte, waren Antifaschisten in der BRD vor allem im Zusammenhang mit dem KPD-Verbot 1956 erneuter Verfolgung ausgesetzt. Antifaschismus galt per se als verdächtige Gesinnung.
Vor diesem Hintergrund war das Aufsehen begreiflich, als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 den Tag des Kriegsendes als Tag der Befreiung – und nicht der Niederlage – bezeichnete. Und bezeichnend waren auch die wütenden Reaktionen auf von Weizsäckers Rede.
Nach der Konterrevolution und der Annexion der DDR wurde deren gelebter Antifaschismus als „verordnet“ diffamiert.
Mit dem Eintritt Deutschlands in den Jugoslawienkrieg 1998 erfolgte ein Paradigmenwechsel. Die SPD/Grüne-Bundesregierung rechtfertigte ihren Angriffskrieg damit, ein neues Auschwitz verhindern zu wollen. Man griff den Antifaschismus nun offensiv auf, um ihn in Dienst zu stellen für die eigene imperialistische Großmachtpolitik. Diese Strategie war so perfide wie wirksam. Sie kommt bis heute zum Einsatz, wie der Ukraine- Krieg zeigt. Aktuell unterstützt man ukrainische Nazi-Bataillone in ihrem Kampf für „Demokratie und Menschenrechte“. In geschichtsvergessener Weise wird Russland wieder als Hauptfeind ins Fadenkreuz genommen. Jetzt zeigt sich, warum es im Rahmen dieser Strategie nützlich war, den faschistischen Völkermord an den Sowjetmenschen ins Vergessen abzudrängen und die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis im Wesentlichen auf den Holocaust zu beschränken. Daraus wiederum wird eine angebliche Verpflichtung zur Unterstützung des israelischen Völkermords an den Palästinensern abgeleitet. Widerspruch dagegen begegnet man mit einem völlig entgrenzten Antisemitismusvorwurf. Es hat sich gezeigt, dass deutscher Großmachtpolitik mehr damit gedient ist, den Antifaschismus zu vereinnahmen und zu missbrauchen, als ihn auszugrenzen. Dieselben politischen Kräfte, welche die Rechtsentwicklung in Deutschland vorantreiben, indem sie im Zeichen der Hochrüstung die öffentliche Daseinsvorsorge zerstören und immer mehr Menschen in die Armut drängen, die gegen Flüchtlinge hetzen und für „Abschiebungen im großen Stil“ werben, trommeln gegen die AfD, da sie unsere Demokratie bedrohe. Ohne Zweifel ist die AfD eine in Teilen faschistische Partei, aber der Motor der aktuellen Rechtsentwicklung sind die Parteien, welche die alte Bundesregierung gestellt haben und die neue stellen werden. Diese Parteien drapieren ihre Kriegs- und Verarmungspolitik mit dem Mantel des Antifaschismus – ein niederträchtiger Missbrauch des Erbes der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer.
Gefragt ist jetzt ein Antifaschismus, welcher die beiden Teillosungen „Nie wieder Faschismus“ und „Nie wieder Krieg!“ als untrennbar begreift und jeder Vereinnahmung durch die Kräfte des deutschen Monopolkapitals entschlossen entgegentritt.
Deshalb sagt die DKP zum 80. Jahrestag der Befreiung:
Befreiung von Faschismus und Krieg heißt US-Raketen stoppen!
Befreiung von Faschismus und Krieg heißt Frieden mit Russland!
Die Erklärung ist auch als gedruckte Broschüre zu erhalten.
Eine digitale Version der Broschüre (PDF) finden Sie hier.