Wer von Demokratie redet, darf von Revolution nicht schweigen
Das Autorenkollektiv geht ausführlich auf die Kritikpunkte ein, sie hätten die Demokratie an sich angegriffen. Ich glaube, dass die Diskussion darüber, ob die Demokratie der Weisheit letzter Schluss ist, am wirklichen Thema vorbeigeht. Wie wir wissen, wird es im Sozialismus eine Demokratie geben, die diesen Namen auch verdient. Sie wird sich nach den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung richten. Die parlamentarischen Schwatzbuden werden in Gremien verwandelt, die ernsthaft arbeiten und zwar im Interesse der dann an der Macht befindlichen Arbeiterklasse, also fast alle.
Lenin (1920): Der “Linke Radikalismus”: Die kleinbürgerlichen Demokraten (darunter auch die Menschewiki) schwanken unvermeidlich zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Reformismus und Revolutionismus, zwischen Liebe zu den Arbeitern und Furcht vor der proletarischen Diktatur usw.
Die jetzige Demokratie richtet sich nach den Bedürfnissen der Minderheit der Bevölkerung, so etwas nennt man auch Diktatur der Bourgeoisie. Nun gibt es Strömungen in der Linken und in unserer Partei, der DKP, welche einen evolutionären Weg zur Abschaffung der Ausbeutung durch den Menschen für einen gangbaren Weg halten. Vielleicht hoffen sie sogar, dieses auf parlamentarisch ”demokratischen” Weg erreichen zu können. Wenn dem so ist, kann ich die Schnappatmung verstehen, welche hervorgerufen wird, wenn Illusionen in die Demokratie angegriffen werden. Der Putsch 1973 in Chile gegen die demokratisch errichtete Sozialismus von Allende ist eines der bekanntesten Beispiele aus der Geschichte, was passiert, wenn die alte Herrscherklasse zu viel Macht in den Händen behält. Man kann eben nicht das parlamentarische System so mal eben in einen demokratisch gewählten Sozialismus übernehmen ohne eben diese Errungenschaften dramatisch aufs Spiel zu setzen.
W.I.Lenin (1920): der “Linke Radikalismus” Nachtrag: Solange die Bourgeoisie nicht gestürzt ist und solange ferner die Klein Wirtschaft und die kleine Warenproduktion nicht völlig verschwunden sind, solange werden bürgerliche Zustände, Eigentümergewohnheiten und kleinbürgerliche Traditionen die proletarische Arbeit von außerhalb wie von innerhalb der Arbeiterbewegung schädigen, nicht alleine auf dem Feld der parlamentarischen Tätigkeit, sondern unvermeidlich auf allen und jeglichen Gebieten der öffentlichen Tätigkeit, in ausnahmslos allen kulturellen und politischen Wirkungskreisen.
Auch geht ein langsames Hinüberwachsen in den Sozialismus nicht. Zum einen ist die Bourgeoisie mit ihren Möglichkeiten viel zu stark und wehrhaft, unter anderem auch in den Köpfen vieler Menschen zu stark verankert und zum anderen lehrt uns die Dialektik, daß es für die Erreichung einer neuen Qualität, welche zweifelsohne der Übergang vom Kapitalismus/Imperialismus zum Sozialismus ist, eine sprunghafte Entwicklung sein muss. Marx/Engels (1848): Manifest der Kommunistischen Partei: Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, das in ihrem Entwicklungsgang am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird…. Wir sahen schon oben, dass der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist.”
Dass dies allmählich vonstatten gehen kann, mit einer immer weiteren evolutionären Verschiebung der Kräfteverhältnisse, wäre ungefähr so sinnvoll, wie wenn man die Geburt eines neuen Menschen ohne den gewaltsamen Akt der Geburt vollbringen möchte. Ich denke also, daß das eigentliche Problem der Auseinandersetzung um Demokratie mehr eine Auseinandersetzung um die Revolution ist. Und, so unter uns, was ist schon ein Kommunist ohne eine sozialistische Revolution?
Michaela Sohn, Peine